Der Rückwärts
Organ des Antideutschen Kollegs
(www.antideutsch.de,
www.nationalanarchismus.org/ADK)
in Zusammenarbeit mit dem Komitee
„Freiheit für Horst Mahler!“
informiert und stellt zur Diskussion:

Bericht über den vierzehnten Verhandlungstag im Prozeß gegen Horst Mahler, Reinhold Oberlercher und Uwe Meenen am 14. Mai 2004

Von Peter Töpfer

Der heutige Verhandlungstag war sehr lang und hatte seine Höhen und Tiefen. Er war auch anstrengend. Ich bitte schon jetzt den Leser um Nachsicht, daß ich kaum das Geschehen abdecken werde können, das sich, mit Pausen, von 9 bis 15 Uhr hinzog und eine ungeheure Menge an Stoff mit sich brachte, die einen fast erschlägt, wenn man ihm aufmerksam folgt. Ich rate dem Leser dringend, wenn er sich ein genaueres Bild machen will, die von Horst Mahler vorgetragenen Texte im Netz nachzulesen; ich werde die entsprechenden Hinweise geben.

Begonnen wurde pünktlich um 9.00 Uhr. Es wurde gemunkelt, daß die Angeklagten Oberlercher und Meenen wieder ins Geschehen eingreifen könnten, aber sie waren wieder nicht anwesend, wurden wieder von RA Nahrath und RA Ulmer vertreten. Horst Mahler hatte wieder RA Roeder an seiner Seite, der als erster das Wort ergriff und eine Frage zum Prozedere hatte. Ja, so Richter Faust, es werde von 13 bis 14 Uhr eine Pause geben.

Horst Mahler begann sofort, „um den geistigen Zusammenhang herzustellen“, sich weiter mit seinem am 3. Mai 2004 unterbrochenen Vortrag des Textes „Einleitende Betrachtung zur Skizze für eine Reichsordnung“[1] zur Anklage einzulassen: „Das Vorhandensein der Konzentrationslager ist sichtbarer Ausdruck dessen, daß er [Hitler] zu keinem Zeitpunkt das Reich und dessen Frieden für alle im Reich lebenden Volksgenossen und Schutzbefohlenen verkörperte.“

Er hat keine Bedenken, Dinge zu sagen, die Richter und Staatsanwalt gefallen könnten. Das spielt keine Rolle; er sagt, was er denkt.

Wichtig sei ihm, so fährt er in seiner „einleitenden Betrachtung“ fort, nicht die „Vermittelbarkeit“ eines Gedankens – wie üblich im „ganzen Elend“ der derzeit herrschenden Geistesverfassung –, sondern seine „Wahrhaftigkeit“. Das hieße aber – das ist nun mein, PTs, Kommentar –, daß im Elend überhaupt gedacht wird; das glaube ich nicht; hier wird nur gelogen, getäuscht und nicht vermittelt.

Nun kam Horst Mahler zu dem Teil seiner Einlassung bzw. zu dem Text, den er bislang so ausführlich eingeleitet hat: „Skizzen und Notizen für eine Reichsordnung“[2]. Die Verlesung dieses Textes solle deutlich machen, so Mahler, ob das von ihm Vertretene antifreiheitlich sei oder nicht, ob es gegen eine freiheitliche Grundordnung gerichtet sei, was ihm Staatsanwalt Krüger ja vorwerfe.

Dieser Text muß im Zusammenhang mit den zahlreichen Verfassungsentwürfen gesehen werden, wie sie von verschiedenen oppositionellen Denkern vorgelegt worden sind[3] und deren berühmtester wohl der „Reichsverfassungsentwurf“ von Reinhold Oberlercher ist[4], der Anfang der 90er Jahre wie eine Bombe eingeschlagen war. Wer die Vorstellungen HMs für die politische Zukunft näher kennen lernen möchte, sollte diesen Text zur Gänze lesen; ich werde hier neben den mir wichtig erscheinenden vor allem die Stellen nennen, an denen er den fixierten Text verlassen hat und die er gesondert kommentiert oder ergänzt hat.

So wie hier: „Das Deutsche Reich ist die umfassende politische Einheit des deutschen Volkes in den Grenzen vom 31. August 1939. Die Ausübung seiner Hoheitsgewalt ist bis zu einer mit den betroffenen Nachbarstaaten friedlich vereinbarten Änderung des gegebenen Zustandes auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland beschränkt.“ Es werde also, so HM im „Off“, keine kriegerischen Abenteuer geben.

HM illustrierte das Verständnis von Demokratie, wie es in der BRD herrsche, mit einer Äußerung von Heinrich Albertz, dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Westberlin: „Bis auf eine ganz kleine Minderheit denken vermutlich alle im Volke: Raus mit den Brüdern (gemeint sind Asylbewerber ganz allgemein)!" „Aber gleichzeitig“, so weiter HM, „identifiziert er [Albertz] sich mit dem Entscheidungsverhalten des herrschenden Parteienkartells, indem er emphatisch formulierte: ‚An dem Artikel 16 wird nicht ein Jota geändert, nicht ein Jota. Was wir notwendig brauchen, ist ein Einwanderungsgesetz.’“

Viel deutlicher kann man das völlig unlogische, absurde und verbrecherische Demokratieverständnis à la OMF BRD tatsächlich nicht zum Ausdruck bringen.

HM betonte, daß das 4. Reich, so es seinen Vorstellungen entsprechen sollte, ein in Gaue untergliederter Einheitsstaat und kein Bundesstaat sein werde.

„Die Gewalten des Einheitsstaates“ würden sich wie folgt gliedern: „Reichsoberhaupt – Kaiser der Deutschen, Regierung – Reichskanzler, Gesetzgeber – Deutscher Reichstag, Gerichtsgewalt – Reichsgerichtshof, Bewaffnete Macht – Wehrmacht,“ und, so HM, den schriftlichen Text ergänzend, „letztlich das Reichsvolk“.

Horst Mahler denkt das Reich von oben, nicht von unten, vom Volk aus. Das wird immer wieder deutlich. Das entspricht auch der herausragenden Stellung, die der Geist für ihn hat, der sich mehr oder weniger auf das Denken beschränkt. Selbstregulierung, spontane Organung und Aufbau von unten nach oben kommen bei HM kaum vor. Das Reich wird organisiert, konstruiert und von einem Geist bestimmt, der von den Eliten – von der Staatsführung, meist aber vom Kaiser – ausgeht. Diese erwirken und durchwirken das Konstrukt mit ihrem Geist.

Sogar der „Thinghauptmann [Der Sprecher des Reichsvolkes] wird auf Vorschlag des Kaisers in unmittelbarer, gleicher und geheimer Wahl vom deutschen Volk gewählt. Der Reichstag benennt dem Kaiser sieben geeignete Kandidaten, von denen der Kaiser drei auswählt und dem Volk zur Wahl stellt.“

Wir Anarchisten werden diesen Vorstellungen nach und nach radikal basisdemokratische Vorstellungen entgegenhalten, auf daß eine Zusammenarbeit und ein verständnis- und liebevolles Verhältnis wie zwischen dem russisch-zivilisierten Kapitan und dem wilden Kirgisen Dersu Uzala im gleichnamigen Akira-Kurosawa-Film entstehen möge. Die Pyramide des Reiches sollte mit der Breitseite auf dem Boden stehen, nicht mit der Spitze. Sicher ist ein komplexes Gebilde nur durch konzentrierte Intelligenz zu errichten und aufrechtzuerhalten. Aber denkbar sind ja auch einfachere Strukturen, in denen die Entscheidungen vor Ort getroffen werden und der Geist der Verantwortung nach oben bis in die höchsten Gremien steigt, die also vom authentischen Willen des Volkes durchdrungen sind, verhältnismäßig wenig zu tun haben und im wesentlichen mit der Abstimmung und Harmonisierung des Willens der einzelnen Reichsteile befaßt sind.

Um 10.00 Uhr unterbrach RA Nahrath den anspruchsvollen und intensiven Mahlerschen Vortrag und regte eine erste Pause an. Er brauche unbedingt eine solche, um sein „Aufnahmefähigkeit wieder herzustellen“.

Staatsanwalt Krüger sagte jetzt, die Ausführungen des Angeklagten würden immer „diffuser und wirrer“; es sei „unzumutbar“, daß er weiter so die Zuhörer und die Zeit strapaziere. Das waren die ersten Anzeichen einer sich heute deutlich steigernden Nervosität auf Seiten des Staatsanwaltes. Unter den Zuhörern erntete Staatsanwalt Krüger jedoch auch Lob, sprach er doch zum ersten Mal seit Prozeßbeginn ins – sogar eingeschaltete – Mikrofon. Verständniserschwerend blieb nun seine enorme Sprechgeschwindigkeit, die Ergebnis seiner Aufgeregtheit ist.

Horst Mahler lächelte mild.

Richter Faust sagte, daß, „wenn Erschöpfungszustände eintreten oder mitgeteilt“ würden, ab sofort Pausen eingelegt werden. Zu denken wäre etwa an einen 45-Minuten-Takt.

Ja, das entspräche seinen Erfahrungen als Referent bei Veranstaltungen, sagte Horst Mahler…

RA Nahrath hatte sicher im Namen der meisten gesprochen, und Richter Faust gab dem Pausebegehren statt.

Nach der Pause nahm Horst Mahler die Verlesung der „Skizze“ beim Kapitel „Reichsreligion und Glaubensfreiheit“ auf, wo es heißt: „Die Glaubensfreiheit ist im Deutschen Reich gewährleistet. Es gilt die Trennung von Staat und Kirche.“

Da stellt sich die Frage, was dann, wenn das Reich mit der Kirche nichts zu tun hat, eine in den Texten der Deutschkollegiaten häufig wiederkehrende Reichs-, also Staatstheologie für eine Rolle spielen soll.

Und tatsächlich spricht Horst Mahler sogleich im nächsten Satz von der „Reichsreligion“ und sagt auch, was diese sei: Sie „ist das Wissen der göttlichen Natur des Menschen. Das ist die Überzeugung, daß der Mensch geistiges Wesen (positiver Judaismus), als solches Ebenbild Gottes ist und dadurch am göttlichen Wesen teilhat.“

Wichtig erscheint mir im Zusammenhang mit den sowohl von der Obrigkeit als auch aus dem Volk heraus gegen Horst Mahler geäußerten Vorwürfen, daß dieser das, „was die Völker im Laufe ihrer Geschichte sich einander angetan haben“, als ein „Grauen“ empfindet. Wenn HM diesem Grauen eine „Vernunft“ bescheinigt, dann muß die Öffentlichkeit, vor allem aber das Gericht, beachten, welche Bedeutung der Begriff „Vernunft“ in des Hegelianers Mahler Sprache hat: Jeder Schrecken hat einen Grund und also auch einen Sinn. Und wenn man den Schrecken aus der Welt verbannen will, muß man zunächst seinen Grund und seinen Sinn feststellen, sich in alle Beteiligte hineinversetzen und ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen. Es nützt nichts, den Übeltäter moralisch zu verurteilen; das hieße, an der Wirklichkeit vorbeizuträumen und eben nicht dem Schrecken gerecht zu werden und ihn zu bannen.

Wenn die „demokratischen“ Eliten à la Heinrich Albertz an der Wirklichkeit des offenkundigen Wollens des Volkes vorbeiträumen und vorbeidiktieren, dann verraten sie damit nicht nur mangelnde Vernünftigkeit – sie mißachten die Gründe des Volkes und willküren und despotieren sie nieder –, sondern dann machen sie sich – und hier kommt tatsächlich die Moral ins Spiel – schuldig und werden eines Tages büßen müssen. Wer die Gründe des Volkes so eklatant mißachtet und offensichtlich und wissentlich unvernünftig ist, den kann das Leben in Form des Volkes gar nicht anders als bestrafen.

Und Richter Faust und Staatsanwalt Krüger können gar nicht anders als Horst Mahlers Gedankengänge zur Kenntnis zu nehmen; zu oft hat er seine von Krüger inkriminierten Aussagen in den Zusammenhang seiner allgemeinen Weltsicht gebracht und sie erklärt. Sollten sie ihn dennoch bestrafen, so wird das nicht das strafende Leben und ganz bestimmt auch nicht im Namen des Volkes sein. Jedes Kind dürfte inzwischen Horst Mahler verstanden haben – aber nur Kinder sagen, daß der Kaiser nackt ist. Pech für die Nichtkinder. Schicksal der Staatsjuristen als vom Leben Gestrafte. Ihre Chance jedenfalls, eine große Chance, nicht zu spät zu kommen, würden sie gehabt haben.

Doch kommen wir zu den Widersprüchen eines im Leben stehenden Menschen zurück (die freilich nicht vor Gericht zu diskutieren wären):

Auf der einen Seite sagt Horst Mahler, daß alle Menschen – ob bewußt oder nicht – „gottgläubig“ seien, daß Staat und Kirche zu trennen seien und „niemand gezwungen werden [darf], diese [HMs] Sichtweise anzunehmen bzw. zu bezeugen“.

Warum sollen dann aber andererseits „die Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen auf dem Boden des Deutschen Reiches verpflichtet“ sein, „diesen Gottesbegriff als Wahrheit zu vermitteln und entgegenstehende religiöse Lehren oder ‚wissenschaftliche’ Theorien philosophisch anzugreifen“?

Um 10.45 Uhr kam Horst Mahler mit der Verlesung des Textes „Skizzen und Notizen für eine Reichsordnung“ zu Ende und übergab diesen sowohl dem Gericht als auch dem Staatsanwalt. Richter Faust ließ die Übergabe des Textes protokollieren.

Nun wollte Horst Mahler im Rahmen seiner Einlassungen zur Verlesung einer Rede mit dem Titel „Endlösung der Judenfrage – Gotteserkenntnis statt Judenhaß“ übergehen, die er auf der Internationalen Konferenz revisionistischer Historiker im April 2001 in Beirut zu halten beabsichtigt hatte.[5] Diese Konferenz sei aber – wie viele andere vergleichbare Veranstaltungen[6] – auf Betreiben jüdischer Organisationen von der libanesischen Regierung verboten worden; er habe diesen Vortrag also nicht wie vorgesehen halten können.[7]

Schon begann HM mit der Verlesung, da unterbrach ihn Staatsanwalt Krüger: Im Hinblick auf „strafbare Teile“, die bei der Verlesung dieses Textes zu erwarten seien, solle Horst Mahler den schriftlichen Text ihm und dem Gericht vor Verlesung zur Verfügung stellen.

Horst Mahler protestierte gegen die Verdächtigung – „da ist nichts Strafbares drin!“; schon aus dem Titel ginge hervor, daß er gegen den Haß auf Juden sei – und gegen die drohende Einschränkung seiner Rechte, übergab aber dann gern Exemplare des Textes an Gericht und Staatsanwaltschaft, nachdem Richter Faust dem Vorschlag des Staatsanwaltes mit den Worten zugestimmt hatte, daß dies „für unsere gedankliche Mitarbeit von Vorteil wäre“.

Staatsanwalt Krüger nahm sein Exemplar in Empfang und stellte den Antrag, sich für zwei Stunden zurückziehen zu dürfen. Die Verhandlung solle für diese Zeit unterbrochen werden. Er befürchte, daß in den nächsten Minuten, wenn nämlich HM anheben würde, den Text zu verlesen, etwas Kriminelles passieren könnte. Er könne es nicht „durchgehen lassen“, daß in der öffentlichen Hauptverhandlung Straftaten begangen werden. Er benötige besagte zwei Stunden, um potentielle Straftaten antizipieren und vereiteln zu können, indem er den Vortragstext zunächst auf strafbar Relevantes hin prüfe. Offenbar hatte er vor, nach diesen zwei Stunden zurückzukommen und Horst Mahler sein Exemplar des Textes – von angeblich kriminellen Passagen durch Schwärzung befreit – zur weiteren Verlesung auszuhändigen. Im übrigen solle das sog. Selbstleseverfahren eingeführt werden.

Doch Richter Faust wies den Antrag des Staatsanwaltes zurück. Das Selbstleseverfahren komme aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Gegen die in der Tat „nicht unbeträchtlichen Einlassungen“ des Angeklagten sei „nichts einzuwenden“; sie sprengten nicht den Rahmen der Verhandlung und seien dem Angeklagten „zuzubilligen“. Horst Mahler möge mit der Verlesung des Textes beginnen, dessen 15 Seiten in etwa den 45 Minuten entsprechen würden, auf deren Nichtüberschreitung zwecks Vermeidung geistiger Überanstrengung man sich zuvor geeinigt habe.

Staatsanwalt Krüger gab aber für die Verlesung keine Ruhe, sondern beantragte nun, der Angeklagte solle sich mündlich aus dem Stegreif einlassen und keine vorgefertigten Texte benutzen. Dies schreibe die Strafprozeßordnung so vor, und auch ein Grundsatzurteil eines bayrischen Oberlandesgerichtes gäbe ihm, Krüger, recht. Es läge beim Angeklagten auch keine geistige Krankheit vor; dieser könne sich sehr wohl in freier Rede einlassen.

Horst Mahler nahm zum Antrag des Staatsanwaltes Stellung: Es sei der oberste gesetzlich vorgeschriebene Grundsatz, daß in der Hauptverhandlung das Bemühen walten müsse, die Wahrheit zu ermitteln, und zwar in dialogischer Form. Dazu gehöre unbedingt der Vortrag von verfahrensrelevanten Schriften. Dies sei zweckmäßig und angesichts der Komplexität des von Staatsanwalt Krüger eingebrachten Gegenstandes nötig. Wir hätten es hier mit einem Fall zu tun, wo unbedingt von der an sich gültigen Regel der freien Rede abgewichen werde müsse; eine entsprechende Ausnahme sei im Gesetz eingeräumt. Die juristisch hier nicht weiter zu beurteilende besagte Oberlandesgerichtsentscheidung sei für das vorliegende Verfahren irrelevant. Hier gehe es nicht um simple Materialitäten wie etwa die Farbe der Krawatte des Mörders oder was dieser vor seiner Tat gefrühstückt hätte. Hier gehe es um komplizierte historische, philosophische, religiöse, psychologische usw. Sachverhalte, die er, Horst Mahler, viel besser mit Texten beleuchten könne, die er zu den entsprechenden Themen ausgearbeitet habe. Es käme darauf an, den Kontext, in dem das Inkriminierte geäußert worden ist, so genau wie möglich herzustellen. Das helfe nicht zuletzt auch dem Staatsanwalt in dessen Bemühen, strafbare Taten festzustellen.

Der Verteidiger Horst Mahlers, RA Roeder, wies den Antrag ebenfalls zurück und fragte Staatsanwalt Krüger, warum er erst heute, am 13. (sic) Verhandlungstag auf diese Idee käme; er habe doch in all den bisherigen Verhandlungen nichts gegen die Verlesung von Texten einzuwenden gehabt.

Staatsanwalt Krüger wurde nun immer nervöser, echauffierte sich richtiggehend darüber, daß Horst Mahler „das Rederecht mißbraucht“. Das könne alles nicht mehr so weitergehen! Mahlers Vorträge seien vollkommen abwegig! Am Ende sitzen wir hier noch herum und philosophieren über Pinocchio oder den Kaiser von China!

: Guten Morgen, Herr Krüger! Eine lange Leitung, aber es scheint angekommen zu sein. Von hier aus dürfte es nun auch nicht mehr so weit sein bis der Groschen fällt und Sie begreifen, daß Sie es sind, der den Geist gerufen hat. Willkommen im Club der Philosophen! Sie sind der Hexenmeister gewesen, Sie haben der Puppe Geist eingehaucht. Herr Faust hat Sie ganz bestimmt nicht darum gebeten. Der schaut sich die ganze von Ihnen einberufene Theatervorstellung und wie diese Ihnen entgleist immer amüsierter an. Jetzt rufen Sie verzweifelt: Geister, seid’s gewesen! Pinocchio, sei wieder Holz! Jetzt ist es aber zu spät, das hätten Sie sich eher überlegen sollen. Sie kommen wieder einmal zu spät, Herr Krüger. Nein, Sie werden, allein in dieser heutigen Verhandlung, noch sehr viel vom Geist hören, versprochen…

RA Ulmer ergriff das Wort: „Herr Staatsanwalt, schauen Sie einmal da hoch!“ – er wies an die Decke des Gerichtssaales –, „genau da über dem Kopf des Vorsitzenden Richters, was sehen Sie da? – Da sehen Sie das Zepter, die Krone und das Schwert des Kaisers! Zwar nicht des Kaisers von China, aber des deutschen Kaisers!“ Das Publikum schaute an die Decke: Tatsächlich, da waren allerhand Holzskulpturen eingearbeitet.

RA Roeder sagte, seinem Mandanten müsse auf jeden Fall das Recht eingeräumt werden, sämtliche unmittelbar zum Thema gehörende Fragen ausführlich zu erörtern; das ging nicht in freier Rede. Im übrigen ergänze er den abgelesenen Text oft in freier Rede. Nicht umsonst werde die Sache ihrer Bedeutung und Komplexität wegen vor dem Landgericht und nicht vor dem Amtsgericht verhandelt.

RA Nahrath sagte, daß Thema der Anklage sei – „grob gefaßt“ – das Deutsche Reich. „Hypothetische Maßnahmen einer Reichsregierung, die irgendwann einmal in nicht absehbarer Zeit ergriffen werden könnten, so wie es sich Horst Mahler vorstellt“, lägen „keineswegs neben der Sache“; sie gehörten selbstverständlich zum Thema und seien „unmittelbar anklageanhaftend“. Der Grundsatz der Mündlichkeit sei erfüllt. Horst Mahler könne nicht alles, was zum Thema gehört – diese weiten Felder – vor Verhandlung auswendig lernen. Das Thema müsse aber, so RA Nahrath weiter, „allumfassend dargestellt werden“. Der Kontext sei – er verwies auf den Paragraphen 130 StGB – sehr wichtig. Es gäbe überdies viele Anklagepunkte, auf die sämtlich einzugehen sei. Es müsse z.B. jeder einzelne Punkt des „100-Tage-Programms der nationalen Notstandsregierung“ vorgetragen und mit Bezug auf die aktuelle Lage in Deutschland kommentiert werden.

Horst Mahler selbst wies noch einmal auf die „geistesgeschichtlichen Zusammenhänge“ hin, die er alle umfassend darstellen müsse, wenn er erklären solle, warum der Antisemitismus von geistiger Gesundheit zeuge; dies könne er nicht in freier Rede.

Nach 20-minütiger Beratungspause verkündete Richter Faust seinen Beschluß: Der Antrag des Staatsanwalts Krüger, der Angeklagte Mahler solle sich nur in freier Rede einlassen, wird zurückgewiesen. Die Art der Einlassung, wie sie der Angeklagte praktiziere, kann nicht verwehrt werden. Den „geistesgeschichtlichen Kontext“ in freier Rede darzustellen, sei dem Angeklagten „kaum möglich“. Hinsichtlich des Zeitrahmens, der, wie der Staatsanwalt befürchte, vom Angeklagten gesprengt werden könnte, würde eine Erörterung in freier Rede im Gegenteil sogar zu einer Verlängerung des Verfahrens führen. Und gerade angesichts der andauernd vom Staatsanwalt neu aufgenommenen Strafermittlungen gegen ihn muß dem Angeklagten gestattet sein, präzise auf eben diese immer wieder neu eingehenden Vorwürfe einzugehen.

Nun konnte Horst Mahler mit der Verlesung des Textes „Endlösung der Judenfrage – Gotteserkenntnis statt Judenhaß“[8] beginnen.

Die „Stämme Israels“ hätten es verstanden, „aus Kriegen, die sie finanziert haben, stets auf beiden Seiten als Sieger hervorzugehen, obwohl sie nie gefochten haben.“

„Nation“ sei „ein Volk als Person, d.h. im Verhältnis wechselseitiger Anerkennung mit anderen Nationen. Der Auserwähltheitswahn“ schließe „diese wechselseitige Anerkennung aus.“ Das sei der Grund, „warum die Juden als Juden nie eine Nation sein können.“ „Im Bewußtsein, das auserwählte Volk zu sein“, bildeten sie „vielmehr die Anti-Nation, die als solche der spirituelle Feind aller wahren Nationen ist.“ Blieben diese „ohne ein hinreichendes Feindbewußtsein“, seien sie „der Antination wehrlos ausgeliefert und werden von ihr zersetzt und schließlich vernichtet“.

Die „Ostküste“ setze, „um diesen Zustand der Wehrlosigkeit aufrechtzuerhalten, alles daran, die Judenfrage zu tabuisieren“.

Horst Mahler habe die Einladung, in Beirut zu sprechen, angenommen, weil er versuchen möchte, die Konferenzteilnehmer davon zu überzeugen, „daß es notwendig ist, im Kampf gegen diesen Feind die Front zu verlagern, um ihn an einer Stelle anzugreifen, an der er nicht verschanzt ist. Es ist zugleich der Ort, an dem wir allein den Sieg davontragen können. Es wird dort ein Kampf sein, in dem Menschen – insbesondere die Juden – nicht sterben, sondern zu sich selbst befreit werden: ein Kulturkampf“.

„Die gläubigen Juden“, so HM weiter, würden „sich selbst in ihren heiligen Schriften als negatives, zersetzendes Element unter den Völkern“ sehen: „Sie nennen ihren heiligen Berg ‚Berg Sinai’“, was bedeute: der Berg, „auf den der Haß gegen die Völker der Welt herabgestiegen ist“. Die gläubigen Juden würden ihn auch „Berg Horeb“ nennen, „weil dort“ – HM zitierte den Talmud – „für die Völker der Welt Zerstörung herabgestiegen ist“.

„Wir“, so HM, „würden uns dieser Negativität schämen.“ Die Juden seien da anders. Gläubige Juden könnten den Gedanken an das Verderben der Gojim genießen. Sie würden sich zu ihrer Rolle als Zerstörer der Völker bekennen.

„Die Überlegenheit der jüdischen Machtpolitik“ bestünde nun darin, „daß sie den uns eigentümlichen Schamreflex für sich nutzt.“ Diese Machtpolitik würde „durch eine geschickte Propaganda in uns die Vorstellung“ bestärken, „daß wir den jüdischen Menschen Unrecht tun, wenn wir die Negativität des Judaismus wahrnehmen und thematisieren.“

Nun hätten wir aber „allen Grund, uns mit der Macht, insbesondere mit der Globalmacht, der Ostküste, zu befassen – ohne Scheuklappen und ohne Haß.“ Wir müßten „davon ausgehen, daß das Vorhandensein einer die Welt dominierenden Macht für uns als Deutsches Volk konkrete Gefahr bedeutet – zumal wenn wir in Rechnung stellen, daß die Ostküste ganz gewiß keine freundschaftlichen Gefühle für unser Volk hegt.“

Die Macht der Juden beruhe „auf dem Glauben, das auserwählte Volk zu sein, und auf der geistigen Schwäche der Gojim-Völker, die nicht mehr an Gott glauben“. Atheismus sei die „Ausmordung der Gojim-Völker durch Jahwe“.

Ausgehend von diesem Punkt, wird es verständlich, warum Horst Mahler die Teilnehmer der Beiruter Konferenz und uns von der Existenz eines Gottes überzeugen möchte: Nur wenn wir wieder gottesgläubig würden, so Mahler, könnten wir der Globalmacht etwas entgegensetzen bzw. uns von ihr befreien.

Deswegen hob er nun an, den Beweis für die Existenz Gottes zu erbringen. Wenn wir eine solche Existenz für bewiesen hielten, dann wäre quasi das Stündlein der Globalmacht geschlagen. Was die Globalisierer gewissermaßen am meisten befürchten würden, sei, daß wir von der Existenz eines Gottes überzeugt wären.

An dieser Stelle – 12.45 Uhr – unterbrach Staatsanwalt Krüger – als scheue er das Weihwasser – den Vortrag Horst Mahlers. Er habe anderes zu tun, Haftprüfungen usw.

Richter Faust beschloß, daß die Verhandlung um 14.00 Uhr fortgesetzt würde.

Die Anregung des Staatsanwaltes leider nicht aufnehmend, über Pinocchio und den Kaiser von China zu philosophieren – dem Publikum blieb der Anblick eines vollends rasenden Staatsanwaltes vergönnt – ging Horst Mahler nun, 14.00 Uhr, zielstrebig daran, die Anwesenden von der Existenz Gottes zu überzeugen, weil der „Glaube, daß da kein Gott sei“ den „Sieg des Judaismus über die Völker“ bedeute. Im Atheismus habe „Jahwe seine Konkurrenten, die Götter der Gojim-Völker, aus dem Felde geschlagen“. Diese seien „allein aus diesem Grunde wehrunfähig dem Globalismus ausgeliefert und dem Untergang geweiht“.

Der „Geltungsanspruch des Atheismus“ sei „mit einer einfachen Überlegung abzuweisen“, d.h.: Jetzt kam er zum Gottesbeweis:

Das Denken gehe „unablässig vor sich“. Auch in unseren Träumen sei es „von uns willkürlich nicht anzuhalten“. (Unter „Denken“ verstehe er, HM, „die durchgehende Tätigkeit des Bewußtseins“.) Wenn das Denken also ständig in uns aktiv sei und nie aufhöre, auch gegen unseren Willen nicht, dann sei das der Beweis, daß ein „Etwas“ in uns und letztlich unabhängig von uns wirke. Dieses Etwas sei Gott: ein einfacher, von jedem nachvollziehbarer, aber banaler Gedanke.

Dieses Etwas hat bei anderen nur einen anderen Namen, bei den Freudianern z.B. heißt es „Es“, bei den Reichianern heißt es „primordiale Energie“ oder „Orgon“ – alles Banalitäten, Namen, Schall & Rauch. Horst Mahler nennt es – mit Hegel – „Gott“: „In meiner Gewißheit“, sagt er, „ist also ETWAS, das mich übersteigt – ein Transzendentes. Dieses sei GOTT genannt. GOTT ist so vorerst nichts anderes und nicht mehr als dieses von mir beschriebene ETWAS.“ Das sei „der Systemgedanke Hegels, der ganz einfach ist und nichts mit all dem Unsinn zu tun, der darüber von sogenannten Wissenschaftlern tausendfältig zwischen Buchdeckel gezwängt worden ist“.

Tatsächlich einfach, ja banal. Es verwundert nicht weiter, daß sich Wissenschaftler zu Banalitäten bücherweise äußern. Relevant ist neben der Frage, ob solcherlei Gedanken kriminell sind, nur die Frage, ob „Gott“ uns tatsächlich dabei helfen kann, frei und selbstbestimmt zu leben und dem Herrschaftsbereich der Globalisierer Raum, unseren Raum, abzutrotzen.

Da keiner, der ein Interesse an einem den Globalherrschern abgetrotzten Raum hat, dieses Ziel alleine erreichen kann, sollte die Diskussion dieser Frage stattfinden und die Mahler’sche These ernsthaft geprüft werden.

Schließlich legt er eine außerordentliche Energie im Kampf gegen die Globalmacht an den Tag. Auf Horst Mahler einzugehen und auf ihn zuzugehen, könnte lohnend sein. Die Gelegenheit besteht, der Vereinzelung und der Schwäche der Antiglobalisierer erfolgreich entgegenzuwirken, die Antiglobalisierungsbewegung und das antiimperialistische Lager zu stärken und der scheinbaren Übermächtigkeit des Feindes etwas mehr entgegenzusetzen. Ein mögliches Bündnis mit einem Mann, der ausruft: „Wer den Feind übermächtig wähnt, der bleibe auf den Knien!“, sollte und kann auf gar keinen Fall außer acht gelassen werden.

Zunächst fällt bei Horst Mahler auf, daß er Geist und Gott mit Denken gleichzusetzen scheint. Er tut das nicht immer, weiß, daß Begeisterung nicht nur etwas mit Denken zu tun hat, widerspricht sich in diesem Punkt oft selbst.

Wenn wir z.B. das Denken „willkürlich nicht anhalten“ können, dann ist damit nicht nur nicht die Existenz eines Gottes erbracht, sondern es ist auch nicht gesagt, daß das, was dann noch vor sich geht, Denken ist. Es wäre zumindest eine sehr inflationäre Verwendung des Begriffes „denken“, und tatsächlich gibt Mahler, wie schon gesagt, zu, daß er unter Denken „die durchgehende Tätigkeit des Bewußtseins“ versteht.

Das Denken ist aber nicht diese „durchgehende Tätigkeit des Bewußtseins“, sondern dieses Bewußtsein untergliedert sich im wesentlichen in drei Abeilungen: Gedanken, Gefühl und Eingeweide entsprechend den drei Teilen des Gehirns. Denken ist nur ein Teil dieser „durchgehenden Tätigkeit“.

Es muß Horst Mahler also der Vorwurf gemacht werden, daß er unsauber mit den Begriffen umgeht. Es gibt diese „durchgehende Tätigkeit des Bewußtseins“, ja. Aber es zeugt von mangelnder begrifflicher Konsequenz und von Nichtlogik, dieses Bewußtsein auf Denken zu reduzieren. Horst Mahler weiß um die Nichtidentität von Bewußtsein und Denken; trotzdem nennt er das gesamte Bewußtsein „Denken“. Er weiß, daß Denken nur eine Teilmenge der „durchgehenden Tätigkeit“ ist, trotzdem nennt er die gesamte Menge „Denken“.

Wenn alles, die gesamte „durchgehende Tätigkeit“ Denken ist, wie nenne ich dann das Denken, etwa im Unterschied zum Fühlen? Welchen Namen habe ich dann für das Denken? Etwa „Denkdenken“? Dann wäre das Gefühl „Gefühldenken“ und die viszerale Tätigkeit, also die Tätigkeit auf der Ebene der Eingeweide, „Eingeweidedenken“. Das könnte man so tun, aber es wäre Nonsens, Unsinn, weil ich ja gerade Gefühl und Gedanke unterscheiden will bzw. muß, weil es verschiedene Dinge sind und ich mich mit „ganzheitlichem Denken“ der Stupidität, also dem Nichtdenken ausliefere, in welchem ich keine Unterscheidungen mehr anstellen kann, etwa zwischen nackt und angezogen. Dann weiß ich nicht mehr, daß der Kaiser nackt ist, wenn er denn nackt ist, oder die Weltherrscher auch nur mit Wasser kochen. An dieser Stelle würde das Denken tatsächlich aufhören, an dieser Stelle spielt für mich keine Rolle mehr, ob der Kaiser nackt ist oder angezogen: Ich nehme gar nichts mehr wahr, ich nehme ihn weder angezogen noch nackt wahr. Ich bin nur betäubt, apathisch und bewußtlos und führe dann das Leben eines scheinlebendigen Knechtes.

Deswegen ist es für mich wichtig, Unterscheidungen anzustellen. Wenn ich nicht mehr zwischen Gefühl und Denken unterscheide (so sehr sie auch zusammenhängen mögen), dann bin ich tot. Ich muß also zurückkehren zum Modell des dreigliedrigen Bewußtseins, in dem das Denken seinen Platz und seinen Sinn hat.

Wenn ich also einschlafe, dann bleibt etwas in mir „tätig“, na klar. Aber ich sollte es nicht „Denken“ nennen. Dieser Begriff sollte der Begrifflichkeit und dem Operieren mit Wörtern vorbehalten sein. Und schon gar nicht brauche ich es „Gott“ nennen. Es ist Träumen, ganz einfach Träumen. Träumen ist Träumen. Worin soll die Notwendigkeit bestehen, Träumen als Gott zu bezeichnen? Ich weiß, daß ich träume, ich nehme diese „Tätigkeit“ wahr. (Im Unterschied zu vielen habe ich fast immer ein Bewußtsein davon, was ich träume.) Nichts veranlaßt mich – wenn ich nicht unbedingt einen Gottesbeweis haben will, also von der Existenz eines Gottes bzw. eines Begriffes „Gott“ schon mal ausgehe, diesen einfach voraussetze – dieses Träumen als „Gott“ zu bezeichnen.

Und Träumen gehört in den Bewußtseinsbereich des Fühlens. In den Träumen spielen die Gedanken, spielen Wörter keine große Rolle, schon eher Bilder; das wesentliche an ihnen ist der Gefühlsgehalt. Genau so wenig, wie ich veranlaßt bin, Fühlen als Gott zu bezeichnen, bin ich veranlaßt, auch Denken als Gott zu bezeichnen. Wenn ich denke, denke ich, dann „gotte“ ich nicht. Es geht mir darum, daß ich für das, was ich tue oder was in mir und mit mir geschieht, eine direkte und unmittelbare Bezeichnung habe – wenn ich denn überhaupt eine solche brauche.

„Gott“ ist keine solche unmittelbare Bezeichnung, sie ist mir fremd; zumindest ist mir, wenn ich mich einmal darauf einlasse, die „durchgehende Tätigkeit“ als „Gott“ zu bezeichnen, Gott nicht unmittelbar, er ist nicht ich, und ich will auch gar nicht, daß Er ich sei (Immanenz usw.).

Mir ist das Wort „Gott“ im Gegensatz zu Horst Mahler nun nicht mal als Voraussetzung, als Ausgangspunkt vorhanden. Was kann ich denn dafür? Ist das schlimm? Muß ich jetzt bestraft werden? Muß ich jetzt als „Gottesmörder“ gesteinigt werden? Ich morde keinen Gott; ich kann nichts morden, was ich nicht einmal sehe! Muß ich nun im 4. Reich trotzdem sterben?

Ich kann theoretisch Horst Mahlers Gedanken nachvollziehen und kurzzeitig verstehen, was er unter „Gott“ versteht. Aber dieses Wort ist mir dann nicht unmittelbar, er ist nicht ich. Ich will auch keine Vermittlung, etwa in Form einer „Dialektik“ von Gott und mir. Ich will ich selber sein. Was habe ich von Gott? Daß er mir bei der Abschüttelung einer Fremdherrschaft hilft? Zur Beantwortung dieser Frage kommen wir später. Hier schon sei gesagt, daß mir Gott, wenn er nicht schon über mich herrscht, fremd ist. Was soll ich etwas Fremdes in mich aufnehmen, wenn ich doch das Fremde gerade abschütteln will?

„Denken“ oder „Fühlen“ sind zwar auch nur Wörter, und ich brauche sie eigentlich genau so wenig wie das Wort „Gott“; aber sie beschreiben eine sinnlich erlebte Sache direkt. Ich kann die „durchgehende Tätigkeit“ als „Gott“ bezeichnen, ich kann mich in Horst Mahlers Gedanken hineinversetzen, aber ich muß es nicht. Ich möchte es jedenfalls auch nicht immer; es ist nur ein zeitweiliges Entgegenkommen im Interesse einer Absprache zur Bündelung von Kräften, hier die Bündelung theistischer und – nicht etwa atheistischer, sondern – heidnisch-primitiver-agnostisch-ungläubiger Kräfte.

Über mein Bestreben zur Bündelung hinaus ermüdet mich das Nachdenken über diese Dinge, habe ich an dieser Stelle keine Not zu wenden, etwa mittels denkerischer Anstrengung. Die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht, ist nicht meine Not. Das weiß ich – für meine Person – besser als Horst Mahler. Selbst wenn er es besser wüßte als ich, müßte er mich als Person achten und hätte er mir nichts einzureden oder ein Bekenntnis abzuverlangen. Das will er auch nicht. Ich bin – ob ich will oder nicht, sagt er – „gottgläubig“. Damit kann ich leben. Fragt sich nur, wozu dann die „Reichstheologie“?

Von Hegel übernimmt Horst Mahler einen seiner Grundsätze: „Sei Person und anerkenne den anderen als Person.“ Diesen Grundsatz unterschreibe ich voll und ganz, mit der Einschränkung, daß ich dafür keiner Aufforderung, keines Imperativs, keiner Norm bedarf. Er fügt diesem Satz Hegels einen eigenen hinzu: „Der Kampf auf Leben und Tod ist die Erzwingung der Anerkennung als Person.“[9] Ich muß zur Anerkennung des anderen – seiner Person – nicht gezwungen werden, das mache ich spontan, weil ich fühlen kann. Wenn ich weiß, daß Versehrtheit, also Angriff und Schädigung der Person, das Gefühl Schmerz und Leid bedeutet, also äußerst unangenehm ist, wenn ich also dafür Gefühlsbewußtsein habe, d.h. fühle, dann bring ich es nicht zustande, einem anderen Menschen dies anzutun.

Etwas anderes wäre es, wenn ich mich tatsächlich in einem Kampf auf Leben und Tod befinden würde. Dann würde ich den anderen tatsächlich zwingen müssen, mich als Person anzuerkennen, und, falls er das nicht tut, den Kampf als Siegender oder Unterliegender zu Ende zu führen. Aber das ist Theorie (für die Palästinenser freilich schon nicht mehr), und diesen Kampf möchte ich – und da weiß ich mich mit anderen Textstellen Horst Mahlers einig („das Grauen…“) – vermeiden. Es gibt Alternativen zu diesem Kampf. Und nicht immer findet dieser Kampf statt.

Und mir würde es unsinnig und blöd vorkommen, wenn mir Horst Mahler solch einen Kampf aufnötigen würde, indem er mich z.B. als „Gottesmörder“ von der Reichspolizei verfolgen ließe, die mir dann eindeutig eine Fremdherrschaft wäre, von deren Sorte eine abzuschütteln wir heute doch gemeinsam gerade die Möglichkeit haben.

Ich schlage einen Kompromiß zwischen Gottgläubigen und Nichtgottgläubigen vor: Wir anerkennen die Person des anderen und seine Wahl des Wortes für das, was in ihm tätig ist. Der eine mag es Gott nennen, der andere er selbst mit seinen Gedanken, Gefühlen und Instinkten, oder sonstwie.

Des weiteren würde im Dialog hilfreich sein, wenn, wie vor geraumer Zeit angekündigt, dem Hegel-Schüler Max Stirner von Seiten des Deutschen Kollegs „die theoretische Gerechtigkeit“ widerfahren würde. Ich mühe mich ja schließlich auch mit der Hegelei ab.

Ich gebe Horst Mahler vollständig recht darin, daß wir das wahrnehmen, aktivieren und wiederbeleben müssen, was jenseits (oder diesseits) des Denkens in uns „tätig“ ist, um wir selbst zu sein und jede Art von Fremdherrschaft auszuschließen. Ob wir das „Gott“ nennen oder nicht, ist nicht wichtig. Insofern stimme ich seiner These zu, daß ein so verstandener „Gott“ uns tatsächlich nicht nur dabei hilft, die Fremdherrschaft abzuschütteln, sondern überhaupt wir selbst zu sein. Die „Gottlosigkeit“, verstanden als Verhinderung, Bremsung und Verdrängung dessen, was in uns „durchgehend tätig“ ist (oder bewußt tätig sein sollte), ist tatsächlich das, was uns u.a. auch gegenüber dem Globalismus „wehrunfähig“ macht und uns diesem „ausliefert“. Wir sind – als in diesem Sinne „gottlos“ – tatsächlich „dem Untergang geweiht“.

Ich gebe also Horst Mahler im Grunde recht, lege jedoch großen Wert auf die sprachliche Selbstbestimmung. Diese sprachliche Selbstbestimmung darf niemals zu einer Verfolgung – etwa wegen „Gottesmordes“ – führen. Wenn wir uns darin einig werden könnten, mögen wir Bündnispartner im antiimperialistischen Kampf sein.

Jemand wegen „Gottesmord“ zu verfolgen, ist ein absolutes Unding und stellt im übrigen den hegelianischen Denkern und ihrem Gott kein gutes Zeugnis aus. Wenn man Gott wie Mahler als das „durchgehend tätige Bewußtsein“ versteht, dann hat der, der dieses „mordet“, bereits aufgehört zu existieren. Warum muß ich ihn dann noch einmal umbringen? Was soll es für einen Sinn haben, eine Leiche zu töten? Das ist keine denkerische Glanzleistung, meine Herren. Das zeugt eher von Gefühl als von Gedanken, es zeugt von Ressentiments.

Das Reich darf, wie es Max Stirner sagt, keine „Gesinnungsgemeinschaft“ sein.[10] Es darf keine „Reichstheologie“, keine „Reichsreligion“ geben. „Das Reich muß“, um noch einmal Max Stirner zu zitieren „von der größten Gesinnungsverschiedenheit unberührt bleiben.“ Denn ansonsten hätten wir nur eine Neuauflage der Holocaust-Gesinnungsweltdiktatur. Für eine solche Gesinnungsgemeinschaft lohnt es sich für einen freien Goy nicht zu kämpfen.

Die Gojim-Völker sollen meinetwegen ihre „Götter“ wieder finden und sie gegen „Jahwe“ in den Kampf führen, wenn „Jahwe“ uns nicht als Personen anerkennt. Aber diese „Götter“ sind nichts als die Völkerpersonen und Individualpersonen selbst, sie sind, was in ihnen „durchgehend tätig“ ist. Das ist die Konsequenz hegelianischen Denkens. Wir müssen selbst „Gott“ werden, d.h. aber lediglich „wir selbst“, und zwar dadurch, daß wir alles „durchgehend Tätige“ sind, d.h. vollständig denken, fühlen und instinktiv handeln. Gegen einen solchen Begriff „Gott“ hätte ich, wenn er nicht überflüssig wäre, nichts einzuwenden.

Max Stirner hat allen Atheisten nachgewiesen, daß sie „fromme Atheisten“ sind, also auch ihre Götter haben, die letztlich immer ein Zeichen der – doch wohl aufzuhebenden – Entfremdung und Fremdherrschaft sind. Die konsternierten, brüskierten und beleidigten Atheisten haben ihm das – kritisches Denkertum obligiert – konzediert, ja lobten Stirner über den Klee (z.B. Feuerbach). Seine vernichtende Kritik ließ ihnen aber keine Ruhe, und so warfen sie ihm vor, er wäre ja auch nicht besser als sie: Sein Gott sei der „Einzige“ oder der „Eigner“. Stirner erwiderte darauf, bevor er sich von der Philosophie verabschiedete: „Der Einzige ist eine Aussage, von welcher mit aller Offenheit und Ehrlichkeit eingeräumt wird, daß sie – nichts aussagt“; daß „der Einzige“ die „vollständige Phrase und zugleich keine Phrase ist“[11], aber den Weg eröffnet auf ein Leben diesseits des Denkens, auf das richtige Leben, das wirkliche Mahlersche „ETWAS“, das mich aber nicht, wie bei Mahler „übersteigt“, zum „Transzendenten“ wird, das mich auch nicht untersteigt und zum Immanenten wird, sondern das einfach ist – als Gedanke, als Gefühl, als Eingeweide und nicht nur als Gedanke des Gedankens, als Vorstellung von einem Gefühl oder von einem Instinkt.

Horst Mahler sagt: „Fern von Gott gehen wir als geistige Wesen allesamt zugrunde.“

Das stimmt. Als „geistige Wesen“ gehen wir ohne Gott zugrunde. Aber als wir selbst ohne jede Fremdinstanz gehen wir auf! Wir, die Agnostiker, sind es doch, die das, was „unablässig vor sich“ geht, das, was „von uns willkürlich nicht anzuhalten“ ist, das „durchgehend Tätige“ rundum und auch diesseits des Denkens bejahen und es nicht mit dem Denken gleichsetzen. Das „durchgehend Tätige“ muß man nicht als Gott bezeichnen, das kann man auch als die gesamte, heile Person bezeichnen. Wir sind mehr als Denken. Und Fremdherrschaft gibt sich gerade dadurch zu erkennen, daß sie uns nicht als ganze Personen leben läßt, daß sie uns in unserer Souveränität, in unserer Selbstbestimmung einschränkt.

Kommen wir zum Prozeßgeschehen zurück:

Horst Mahler ging nun, weiter im Gottesbeweis, zur Verlesung des Textes „Exkurs Atheismus und Gottesbeweis[12] über.

Er sagte, daß Kind habe noch keine Vernunft. – Doch, das „durchgehend Tätige“ ist auch schon im Kind tätig. Das „durchgehend Tätige“ ist nicht nur Denken, es ist das ganze Bewußtsein, das ganze Wissen, also auch, wenn ich Hunger habe und schreie.

Die Entfremdung sei keine vermeidbare Abirrung vom richtigen Weg. Wer wüßte schon zu sagen, was der richtige Weg ist?

Hegel sei kein Feind der Freiheitlichkeit, wie viele seiner Kritiker behaupten. Die Bedürfnisse des Einzelnen sollen befriedigt werden; dieser solle sich entfalten.

„… ICH – das folgt daraus – ist ein bestimmtes (dadurch endliches) Sein (= Dasein) Gottes. Im ICH kommt Gott zum Bewußtsein seiner selbst. In diesem Selbstbewußtsein erfährt er seine Freiheit: er hängt von nichts ab, das er nicht selbst ist. (…) Was sich uns im Denken als Entwicklung des Denkens zeigt, ist das Leben des Geistes in sich, ist die Idee im reinen Denken…“

… : Inzwischen hatten einige der Zuhörenden bereits den Gottesbeweis angetreten, d.h. „unablässig vor sich hingedacht“. Ihr Denken war nicht mehr „von ihnen willkürlich anzuhalten“ gewesen; „die durchgehende Tätigkeit des Bewußtseins“ hatte sich bereits auf die Ebene des Traumes verlagert. Zuerst schlief Richter Faust ein, es sah jedenfalls danach aus: Er stützte seinen hängenden Kopf in seiner offenen Hand und döste vor sich hin. Mit einem Male schnellte er auf, als hätte er sich beim Schlafen erwischt, sah in die Runde und daß er nicht der einzige war, den es in die Träume davon getragen hatte. Nun mußte er lachen, als er etliche Beteiligte und Zuschauer gemütlich vor sich hinschnarchen sah. Einige waren schon auf der viszeralen Ebene angekommen und klappten gänzlich vorn über. Die Komik war tatsächlich nicht mehr zu überbieten.

Schließlich brach Richter Faust um 15.00 Uhr ab: Ein anstrengender Verhandlungstag ging zu Ende.

Nächster Verhandlungstag: 19. Mai 2004, Beginn: 9.00 Uhr.

 

Dieser Bericht erscheint unter http://www.nationalanarchismus.org/adk/Komitee/Prozess/dreizehnte/dreizehnte.html

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Anmerkungen:
[1] http://www.deutsches-kolleg.org => Viertes Reich => Einleitende Betrachtung zur Skizze für eine Reichsordnung

[2] http://www.deutsches-kolleg.org => Viertes Reich => Skizzen und Notizen für eine Reichsordnung

[3] vgl. Jürgen Schwab, Volksstaat statt Weltherrschaft, Tübingen 2002

[4] http://www.deutsches-kolleg.org/oberlercher/texte-zur-zeit/1990-1999/rverfe-99.html

[5] http://www.deutsches-kolleg.org/hm/ => Texte => 25. März 2001 Endlösung der Judenfrage – Gotteserkenntnis statt Judenhaß

[6] Etwa die jüngst (23.-25.4.2004) in Sacramento (USA) stattfinden sollende Konferenz.

[7] Ein weiterer Leidtragender dieses Verbotes war – neben der Weltöffentlichkeit – Serge Thion, der dort seinen Vortrag „Wer zerstört Israel?“ halten wollte (erschienen in Sleipnir. Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik, Heft 34 und AUTO: -chthon & -nom. National-anarchistische Stromzeitschrift Nr. 7 (Juni 2001), http://www.nationalanarchismus.org/Nationalanarchisten/Auto7/ThionZerstorung/thionzersto rung.html

[8] http://www.deutsches-kolleg.org/hm/ => Texte => 25. März 2001 Endlösung der Judenfrage – Gotteserkenntnis statt Judenhaß

[9] Reichsbürgerbrief 2/04

[10] Max Stirner, Reich & Staat, http://www.nationalanarchismus.org/Nationalanarchismus/Auto10/stirner_reich_staat/stirne r_reich_staat.html

[11] Max Stirner, Recensenten Stirners, in: Wigand’s Vierteljahresschrift, Leipzig 8. Sept. 1845, zitiert in: Max Stirner, Parerga, Kritiken, Repliken, herausgegeben von Bernd A. Laska, Nürnberg 1986, S. 150 - 152

[12] http://www.deutsches-kolleg.org => Schulungen => Hegelsche Logik => Exkurs Atheismus und Gottesbeweis