Der Rückwärts Bericht über den dreizehnten Verhandlungstag im Prozeß gegen Horst Mahler, Reinhold Oberlercher und Uwe Meenen am 3. Mai 2004 und Offener Brief an Klaus Kunze von der Jungen Freiheit (www.jungefreiheit.de) Von Peter Töpfer Es wird langsam ernst… – auf die Beschlagnahme des Rechners von Reinhold Oberlercher am 3. Mai 2004 habe ich in einer gesonderten Eilmeldung hingewiesen. Keine vernehmlichen Proteste in dieser Gesellschaft, die sich freiheitlich grundgeordnet dünkt, in der alle so wunderbar frei und freiheitlich sind… Horst Mahler kam im Rahmen seiner Einlassung sofort zur weiteren Verlesung der „Bittschrift von Reichsbürgern in Geschäftsführung ohne Auftrag für das Deutsche Reich an den Ewigen Bund Deutscher Fürsten…“, und zwar ab der Stelle: „Wir ersuchen den Fürstenbund, sich den folgenden Aufstandsplan für das Deutsche Volk zueigen zu machen:…“ Anschließend verlas er die „Einleitende Betrachtung zur Skizze für eine Reichsordnung“[1]. Hier ging Horst Mahler, geduldig wie er ist, wieder einmal darauf ein, daß seine Texte auf den einen oder anderen lächerlich wirken könnten, blieb dabei wie immer absolut souverän und gelassen – für unsereinen nicht wirklich überraschend, sind wir doch noch nie auch nur in die Nähe des Gedankens gekommen, etwas aus den Mündern Mahlers oder Oberlerchers für lächerlich zu halten; es ist nur meine Pflicht als Berichterstatter, überhaupt darauf einzugehen. Ich muß sagen, daß es mich regelrecht anwidert, mich mit dem Thema Lächerlichkeit in Zusammenhang mit MOM als Berichterstatter befassen zu müssen. Mahler selbst tut es auch selten (und bleibt bei sich und seinen Gedanken), aber eben doch hin und immer wieder. Mich bei den Befindlichkeiten derer, die meine Aussagen für lächerlich halten, aufzuhalten – das tue ich in der Regel nicht, aber hier geht es ja nicht um mich, sondern um Horst Mahler. Die kommunikative Situation ist im Grunde absurd, aber das haben wir der Lage Deutschlands und der Welt, der allgemeinen und vertieften Verdummung zu verdanken und dem politischen Ehrgeiz Mahlers, der daran etwas, und zwar eben auf diese Weise, ändern will. Es fragt sich nur, was mit Leuten in der Zukunft anzustellen wäre, die man erst davon überzeugen muß, daß nichts Lächerliches an dem ist, was man sagt. Der Abstand zu solchen Leuten ist doch ziemlich groß. Nun, es ist vielleicht nichts anderes, als diese lästigen Zeitgenossen friedlich aus dem Weg zu räumen – ein mühsames und ermüdendes Unterfangen; mir gefällt da eher ein Spruch wie „Klasse statt Masse“. Horst Mahler glaubt, der Psychotherapeut der „von der psychologischen Kriegsführung Schwerverwundeten“ sein zu müssen oder zu können. Auch ich vermute, wie Horst Mahler, daß immer dann Leute etwas lächerlich finden, wenn Sie mit ihrer eigenen, aber verdrängten Sehnsucht in Berührung kommen. Lächerlichkeit sei, so Horst Mahler, ein „unbewußter Abwehrreflex“, der von einer „verinnerlichten Diktaturgewalt“ verursacht würde; sich über jemanden lächerlich zu machen, sei „eine hilflose Abwehr von Gedanken, die zwar als ‚unmodern’ verpönt, mit denen die Zeitgenossen aber nicht wirklich fertig sind, weil in ihnen noch unerkanntes Leben wirkt“. Dieses Leben steckt z.B. auch im Volkstanz. Ich habe 1997 über dieses besondere, auch in Lächerlichkeit verwandelte Stück Leben in einem Aufsatz geschrieben: „Und damit betreten wir eine andere Welt. Plötzlich empfinden wir etwas ganz anderes. Irgend etwas Naives, Lächerliches. Wir lachen mit einem Male, noch etwas verlegen. Doch dann sagen wir: Daß der Gebirgsfluß so rein ist, das ist doch sehr schön so. (…) Und das alles haben wir dem einfachen Entschlusse zu verdanken, einmal zum Volkstanz zu gehen.“[2] In jedem, der Volkstanz für etwas Lächerliches hält, steckt ein Volkstanzfanatiker, und schon bald werden überall die Tanzsportgruppen wie Pilze aus dem Boden sprießen. Die gesamte gebildete Klasse in diesem Land, d.h. die besonders Verdummten, die gesamte geistig-kulturelle Szene dieses nichtswürdigen Landes hält Mahler, einen Mann, der – bei aller Hegelei – überhaupt noch einen Sinn für die Realien hat – so sehe ich das jedenfalls –, für bis zur Lächerlichkeit der Realität entrückt. In den Zeitungen des Establishments wird er als geistig krank dargestellt; er hätte sich – wie es z.B. in der Jungen Freiheit vom 30.4.04 heißt – „von der Realität verabschiedet“. Aber auf Allgemeinplätzen – wir alle sagen vom anderen, er sei nicht realistisch – herumzulungern, ist sinnlos, unkommunikativ und kontraproduktiv. Es geht nicht darum, wer recht hat und der Realität am nächsten kommt, sondern es geht darum, wer die Macht hat über die, die angeblich oder tatsächlich nicht recht haben, und die diese von den Plätzen, die der Allgemeinheit zugänglich sein müssen, vertreiben können. Es geht hier darum, daß jeder auf Allgemeinplätzen herumlungern darf; die öffentlichen Plätze sind für jeden da. Es geht darum, ob einer die Macht hat, einen anderen hinter die Gitter eines Gefängnisses oder einer Irrenanstalt zu bringen, nur weil dieser eine Meinung vertritt, die von der des Machthabenden abweicht und dem Machthabenden nicht paßt. Das Establishment – Medien und Justizapparat, Richter Buckow und JF-Autor Klaus Kunze – ist sich darin einig, daß sich Horst Mahler von der Realität verabschiedet habe und Opfer „altersbedingter Abbauprozesse“ sei. Gut. Das mag jeder denken und sagen, selbst ein Richter oder ein Staatsanwalt, solange das keine physischen Auswirkungen auf den als „abgebaut“ oder „unrealistisch“ Bezeichneten hat oder diesen nicht unmittelbar bedroht. Dann aber fängt es an, die Freiheitskämpfer auf den Plan zu rufen. Laut Kunze befindet sich Horst Mahler in einer „geistigen Gummizelle“, in der er „weiße Mäuse“ sieht. Das mag ja sein – wir behaupten es alle vom andern, und das soll statthaft sein –, Herr Kunze und die Verantwortlichen des Mediums Junge Freiheit müssen nur daraufhingewiesen werden, daß sie sich, wenn sie sich die Bälle mit einem Richter zuwerfen, der einen Andersdenkenden tatsächlich in die Psychiatrie zu schicken droht, an einer beabsichtigten Freiheitsberaubung der übelsten Sorte beteiligen. Das ist keine junge, keine alte, das ist das krasseste Gegenteil der Freiheit, wenn ich sehe, daß ein Staatsbeamter jemanden in die Klappsmühle sperren will, nur weil der anders denkt als er, und ich darüber nicht aufschreie. Denn da hört der Spaß – wir sind alle schön verrückt – auf! So nicht Sie, Herr Kunze: kein Aufschrei, ganz im Gegenteil. Ich halte Sie, der den – zumindest für mich – ganz offensichtlichen Zusammenhang und die große Ähnlichkeit der Rassismen Judentum und Nationalsozialismus nicht sieht und diese Offensichtlichkeit für einem „bizarren Gedankenkosmos“ entsprungen hält, für geistig umnachtet. Aber Umnachtung hin oder her: Wenn ein Richter, der meine Meinung teilen und Sie also auch für geistig minderbemittelt halten würde, daherkäme und Ihnen aufgrund seiner Einschätzung Ihres denkerischen Vermögens die Ausübung Ihres Berufes verbieten würde, so wäre ich der erste, der sich für Sie und Ihre – hier insbesondere berufliche – Freiheit einsetzen würde. Welche Rolle spielt denn dann noch, daß ich Sie für wie umnachtet auch immer halte? Ich muß Sie, der Sie von Beruf Rechtsanwalt sind, ja nicht zur Wahrnehmung meiner Interessen beauftragen. Wenn Sie trotz aller geistigen Behinderungen gute Arbeit für Ihre Mandanten leisten und diese zufrieden mit Ihnen sind – so what? Das geht nur Sie und Ihre Mandanten etwas an, das unterliegt nur Ihrer beider Freiheit und Verantwortung und hat einen Staatsbeamten rein gar nicht zu interessieren. Sie können, Herr Kunze, schreiben, was Sie wollen, Sie können noch so sehr Ihr Unwissen ausbreiten, Sie brauchen Hegel nicht kennen, Sie brauchen nicht wissen, daß Hegel allem, was ist, einen Grund zuschrieb – na so was! –, Sie brauchen noch nie in ihrem Leben etwas davon bemerkt haben, daß Grund und Vernunft in einem Zusammenhang stehen (die Franzosen haben sogar nur ein Wort für beides – raison –, und nun?), man muß nicht wissen, daß es für alles einen Grund gibt, daß die Dinge einen Grund haben, man muß nicht unter alle Dinge schauen – mach’ ich ja auch nicht –, man kann von manchen oder auch allen Dingen der Meinung sein, daß sie grundlos geschehen – das alles können Sie denken und sagen, bis Sie völlig umnachtet sind. Jeder ist frei, sich das anzuhören oder das aus Ihrer Feder zu lesen. Aber da, wo Sie sich zum Komplizen von Leuten machen, die geistig Umnachtete hinter Gitter bringen wollen, nur weil diese ihren Geist ausbreiten, aber mit ihren Umnachtungen niemanden versehren, da machen Sie sich zum Feind der Freiheit und derjenigen, die Ihnen jede Freiheit zugestehen. Dann müssen Sie leider auf die Feindesliste des anarchistischen Patientenkollektivs gesetzt werden; tut mir leid. „Intolérable intolérance“ nannten das, was Sie, Herr Kunze, betreiben, Jean-Gabriel Cohn-Bendit, Claude Karnoouh und andere Autoren in ihrem gleichnamigen, der Verteidigung Robert Faurissons gewidmeten Buch aus dem Jahre 1981[3]. (Unter den Autoren übrigens auch Ihr mit freiheitlichem Engagement ausgestatteter Rechtsanwaltskollege Eric Delcroix.) Und Cohn-Bendit nannte seinen Beitrag zu diesem Buch „Question de principe“: Auch die Feinde der Freiheit und die Intoleranten sollen die Freiheit und die Toleranz genießen, aber nur bis zu dem Punkt, wo sie den anderen seiner Freiheit physisch berauben; dann wird es intolerabel. Und an diesem Punkt befinden Sie sich, Herr Kunze. Besonders übel, Herr Kunze, ist Ihr libertizides Verhalten, weil es im Namen und unter dem Titel der Freiheit daherkommt, einer jungen sogar, die eigentlich weiß oder zumindest einmal wußte, daß es die Freiheit so gut wie nicht mehr gibt, und einst angetreten war, daran etwas zu ändern. Ich erinnere mich an jene „Junge-Freiheit-Leserkreise“, in denen um das Jahr ’89 ein wahrhaft reger und freier Geist herrschte. Wie schön war diese Zeit, wie erregend die Diskussionen damals in diesen Kreisen! Ich sehe deutlich vor meinem inneren Auge die Kneipen, wo sich das bunteste Volk traf und sich voller Begeisterung und grenzenlos die Gedanken austauschte. Damals herrschte ein echter Aufbruch, die Geister öffneten sich und Informationen drangen nur so in die Menschen ein. Dieses Erlebnis haben wir den Herausgebern der Jungen Freiheit zu verdanken, und dieser Dank wird bleiben. Ich habe auch Verständnis dafür, daß die JF-Verantwortlichen bald nichts mehr mit jenen Leserkreisen zu tun haben wollten; niemand muß seinen Namen für irgend etwas hergeben. Auch kann die Junge Freiheit, in der immerhin Autoren wie Alain de Benoist, Hans Hirzel, André F. Lichtschlag, Günter Maschke, Horst Mahler, Ernst Nolte, Bernd Rabehl, Josef Schüßlburner, Rolf Stolz, Tomislav Sunic und Ernst Topitsch geschrieben haben, inzwischen mediokren und offen antifreiheitlichen, ja der Sowjetisierung Vorschub leistenden Autoren wie Ihnen, Herr Kunze, Raum geben, das stört mich nicht. Was mich stört, ist, diesen Begriff in ihrem Titel und in den Dreck gezogen zu sehen. Gründlicher konnte der Geist von ’89 von den „’89ern“ nicht verraten werden. Nun, kehren wir zu den angenehmeren Dingen zurück: Angenehmer ist in der Tat, was Horst Mahler über seine Vorstellungen von Volksgemeinschaft zu sagen hat: Hitler habe die Volksgemeinschaft „vollends verdorben, indem er – der exterminatorischen Logik der jüdisch geprägten Moderne folgend – große Teile der Bevölkerung als ‚undeutsch’ aus der Volksgemeinschaft ausschloß, anderen – fremdvölkischen – Teilen den Schutz des Reiches entzog und sie so friedlos machte. Die Volksgemeinschaft verkam zu einer Bürger- und Rassenkriegsmaschine. Als Führer der nationalen Bewegung, die so im wesentlichen eine Bürgerkriegspartei war, konnte Hitler nicht wirklich zum Monarchen aufsteigen. Das Vorhandensein der Konzentrationslager ist sichtbarer Ausdruck dessen, daß er zu keinem Zeitpunkt das Reich und dessen Frieden für alle im Reich lebenden Volksgenossen und Schutzbefohlenen verkörperte.“ Der Monarch in seinem – Horst Mahlers – Verständnis (das er – ob zu recht oder unrecht, ist hier nicht zu diskutieren – allen Germanen unterstellt) sei das Individuum, das die Volksgenossenschaft verkörpere und dem Ganzen verantwortlich sei. „Er [der Monarch] ist nicht der Staat, sondern nur ein Moment desselben. Die Volksgenossen sind nicht seine Untertanen, sondern ihm in der Freiheit – also im Recht – gleich. Soweit das Dasein des Rechts als Freiheit ein Wollen und Handeln im Ganzen erfordert, leisten die Volksgenossen dem Monarchen freiwillige Gefolgschaft, deren Wesen die Treue zum eigenen Volk ist. Die Treue der Volksgenossen zum Monarchen ist aber gebunden allein durch die Treue des Monarchen zu seinem Volk. Ein Treuebruch von der einen oder der anderen Seite versetzt das Gemeinwesen zurück in den Naturzustand, wo rohe Gewalt erzwingt, was Recht nicht mehr bewirken kann. In dem als Monarch herausgehobenen Einzelnen schaut sich der einzelne Volksgenosse selbst an und erkennt sich als Glied eines Ganzen. Erst in dieser Einsicht sind alle anderen Glieder des Gemeinwesens als Genossen erkannt und anerkannt. Diese Überzeugung ist der Boden des Staates der Germanen, seiner Festigkeit und seiner Stärke.“ Damit steht Horst Mahler anarchistischen Vorstellungen von Volksgemeinschaft bzw. von Volksgenossenschaft als einer Gruppe von Anarchen einigermaßen nahe. Zwischen Monarch und Volksgenosse befindet sich der Anarch; dieser ist die Verschmelzung beider und bildet mit anderen Anarchen die Nation als Assoziation der Egoisten, als Vereinigung der Eigner. Horst Mahler beendete seinen Vortrag mit folgendem Abschnitt seiner „Einleitenden Betrachtung zur Skizze für eine Reichsordnung“, zu deren Darstellung er sicherlich bei der nächsten Verhandlung am 14. Mai 2004, 9.00 Uhr, kommen wird: „Die Zustände, die sich aus dem Schein der totalen Losgebundenheit des Individuums von jeder realen Gemeinschaft als unsere Gegenwart entwickelt haben, sind die Qual der absoluten Entbehrung von Geborgenheit. Diese Qual bewirkt aber nicht wirklich den Tod des Gemeinwesens, sie führt diesen nur als Gefahr vor Augen, die die Gegenkräfte in Bewegung setzt, die jetzt aus dem Zentrum der individualistischen Revolution (Nietzsche) heraus die Volksgemeinschaft ihrem Begriffe gemäß verwirklichen. Dieses Zentrum ist Deutschland deshalb, weil einerseits hier die durch den Markt, d. h. durch das Geldsystem zerstäubte Gesellschaft nicht nur als Naturalform vorhanden ist, sondern infolge der totalen Niederlage im 2. Dreißigjährigen Krieg zusätzlich die fast völlige Vernichtung des völkischen und nationalen Selbstbewußtseins eingetreten ist. Hier ist die Not am größten, die Rettung daher am nächsten. Andrerseits ist hier in der Tiefe des kollektiven Unbewußten der Geist der Germanen noch wirksam und darauf vorbereitet, sein Werk zu vollenden.“ Abonnieren oder desabonnieren Sie Der Rückwärts bei peter-toepfer@web.de. Der Festbezug ist – danach wurde mehrmals gefragt – kostenlos.
[1] siehe www.deutsches-kolleg.org => Viertes Reich => Einleitende Betrachtung zur Skizze für eine Reichsordnung [2] Peter Töpfer: Die Lust an der Wiederentdeckung des Eigenen, Staatsbriefe 4/97, http://www.nationalanarchismus.org/nationale_anarchie/Kultur/Tanz/tanz.html [3] Jean-Gabriel Cohn-Bendit, Eric Delcroix, Claude Karnoouh, Vincent Monteil und Jean-Louis Tristani, Intolérable intolérance. Receuil de textes en forme de supplique à MM. Les magistrats de la cour d’appel de Paris, herausgegeben von Pierre Guillaume im Verlag Éditions de la Différence, Paris 1981.
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