13. Dezember 2004: Verhandlung gegen Horst Mahler und Vernichtung eines Prozeßberichtes

Nach der Verhandlung gingen die interessierten Besucher wie immer zum Kroaten schräg gegenüber vom Gerichtsgebäude in die Gastwirtschaft. Dort versammeln sich etliche um Horst Mahler. Die Nichtmahleristen vom Komitee sitzen einige Tische abseits, werten ebenfalls das Erlebte aus und besprechen gemeinsame Aktivitäten.

Ich ließ mir von einem Fachkundigen noch etwas Formaljuristisches erklären, und Bernhard Heldt vom Komitee „Freiheit für Horst Mahler!“ gestattete mir dann, zu ihm nach hause zu fahren – er selbst hatte noch woanders zu tun – und seinen Rechner für einen Bericht über die Verhandlung zu benutzen.

Mein eigener Rechner ist kaputt; ich werde den Verdacht nicht los, daß er Sabotage zum Opfer gefallen ist. Das könnte etwa zur gleichen Zeit passiert sein, als es im Zusammenhang mit Demonstrationen der üblichen Bürgerkriegsparteien hier in Berlin zu einer Kampagne gegen mich als angeblich einer der Bürgerkrieger gekommen ist: Mein Wohnviertel ist mit Plakaten mit Foto und Anschrift von mir beklebt worden, und im Internet sind Dinge verbreitet worden, an denen absolut nichts wahr war: Es hat niemals einen „Hausbesuch“, es hat keine Unterhaltung an der Gegensprechanlage meines Miethauses gegeben und so weiter. Viele Leute hatten bei mir besorgt angerufen.

In Bernhards Wohnung angekommen, schrieb ich sogleich meinen dreiseitigen Bericht über die Verhandlung vom Tage. Zunächst kam ich jedoch auf die Verurteilung von Reinhold Oberlercher und Uwe Meenen am 7. Dezember 2004 zurück, wollte diese noch kurz aus der Sicht des Freiheitskomitees kommentieren. Ich schrieb sinngemäß, daß diese Verurteilung ein Fehler gewesen sei und daß Oberlercher und Meenen hätten nicht verurteilt werden dürfen. Die mündliche Begründung der Verurteilung durch Richter Faust wegen Volksverhetzung hätte, so schrieb ich, die Problematik von Volk und Bevölkerung aufgeworfen. Vorher hatte ich Unkundiger mich beim Kroaten belehren lassen, daß im  Grundgesetz von einem „deutschen Volk“ die Rede sei. Selbstverständlich müßten, so schrieb ich jetzt, die Angehörigen dieses Volkes darüber frei diskutieren dürfen, in welches Verhältnis sie sich zu Menschen setzen möchten, die diesem deutschen Volk nicht angehören. Wenn ein Deutscher der Meinung ist, Ausländer würden den Deutschen von keinem Nutzen sein, dann sei das ein Diskussionsbeitrag, der nicht kriminalisiert werden und nicht zu einer Bestrafung führen dürfe. Genau dies aber habe Richter Faust getan. Ganz im Gegenteil müsse jede Meinungsäußerung und jeder Beitrag zur Diskussion, wie man mit Fremden umgehe, begrüßt und beschützt werden, weil dieses Thema für das deutsche Volk von einiger Bedeutung sei. Wenn es um das Wohl des Volkes gehe, so müsse jeder Diskussionsbeitrag anerkannt werden, ja man müsse jedem dankbar sein, der sich um das Wohl des Volkes und um das, was ihm nützen oder schaden könnte, Gedanken mache.

Beim Kroaten hatte ich mich auch darüber belehren lassen, daß der Begriff „deutsches Volk“ umstritten sei und daß insbesondere von den Eliten des Staates dazu übergegangen worden sei, den Begriff „Bevölkerung“ zu benutzen. Doch selbst wenn es um das Wohl einer Bevölkerung anstatt eines Volkes ginge, so müsse auch, so schrieb ich, innerhalb dieser Bevölkerung – etwa unter Einbeziehung des kroatischen Gastwirtes – darüber frei diskutiert werden dürfen, welches Verhältnis eine auf einem bestimmten Territorium lebende Bevölkerung zu Menschen, die nicht auf diesem Territorium leben oder noch nicht auf diesem Territorium leben oder bis vor kurzem nicht auf diesem Territorium gelebt haben, eingehen soll. Auch in diesem Falle wäre jeder Beitrag eines hier ansässigen Menschen zu einer Diskussion zu begrüßen, bei der es darum geht, ob es von Nutzen für die Bevölkerung ist, entweder Fremde auf das Territorium zu holen oder Menschen vom Territorium zu weisen, deren Aufenthalt von der Bevölkerung als befristet betrachtet wird oder die als nicht ansässig oder nicht zur Bevölkerung gehörig empfunden werden. Entsprechende Diskussionsbeiträge oder Handlungsvorschläge – wie die von Oberlercher und Meenen – dürften jedenfalls nicht zu einer Anklage oder gar zu einer Bestrafung führen. Ganz im Gegenteil müßten diese Beiträge anerkannt und geehrt werden, weil sie davon zeugen, daß sich der Diskutant Sorgen und Gedanken um unser aller Wohl und Nutzen mache. Selbstverständlich müsse niemand dem Vorschlag eines anderen folgen oder diesen auch nur für diskutabel erachten, doch in einer Bestrafung liege – so schloß ich meinen Kommentar zur Verurteilung von Oberlercher und Meenen – seitens des Gerichts unter Vorsitz von Richter Faust ein Fehler. Das Gericht hätte Oberlercher und Meenen freisprechen müssen. Der Staat zwischen Rhein und Oder habe die Interessen des deutschen Volkes oder der hier ansässigen Bevölkerung zu vertreten und zu schützen, nicht die einer beliebigen und undefinierten Bevölkerung oder der Weltbevölkerung.

Anschließend ging ich in meinem Bericht auf die Verhandlung vom Tage, nämlich die gegen Horst Mahler, ein. In dieser sei es darum gegangen, die rechtlich relevante Vergangenheit Horst Mahlers darzulegen. Diese Vergangenheit sei – falls es zu einer Verurteilung kommen sollte – für die Festlegung des Strafmaßes von Bedeutung. Richter Faust habe, so schrieb ich, das Urteil eines Hamburger Gerichtes aus diesem Jahr verlesen und Horst Mahler befragt, ob die dort gemachten Aussagen richtig seien. Zur Auseinandersetzung mit dem Staat in den 70er Jahren befragt, habe Horst Mahler geantwortet, er hätte sich zu dieser Vergangenheit „nie erklärt“ und werde auch heute dabei bleiben, sich nicht dazu zu erklären. Bemerkenswert, so schrieb ich, sei ein von Richter Faust verlesenes Zitat Horst Mahlers aus den 70er Jahren gewesen, aus dem eine mich berührende tiefe Abscheu und eine Kampfansage gegenüber allen Herrschenden gesprochen habe.

Ich schrieb weiter, daß Richter Faust ausgeführt habe, daß in den 90er Jahren erfolgte Verurteilungen Horst Mahlers wegen „Belohnung und Billigung von Straftaten“ (in Zusammenhang mit den Geschehnissen am 11.9.01 in Amerika) eine „besonders beachtliche Konsequenz“ insofern hätten, als sie im hiesigen Verfahren nicht „einbeziehungsfähig“ seien. Eine Einbeziehung dieser Verurteilungen würde gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoßen.

Damit und mit dem Hinweis auf die nächste Verhandlung am 3. Januar 2005, 9.00 Uhr, schloß ich meinen Bericht. Ich blieb noch ein Weilchen in Gesellschaft der sehr liebenswerten Schwester Bernhard Heldts in dessen Wohnung, bevor ich diese gegen 18.00 Uhr verließ.

Zu meinem Verhandlungsbericht waren noch zwei kleine Fragen verblieben; ich nahm mir vor, diese später gemeinsam mit Bernhard zu klären. Deshalb verschickte ich den Bericht nicht sofort an die Abonnenten. Ich speicherte den Bericht auf Bernhards Rechner ordentlich ab.

Als ich jedoch gegen 20.00 Uhr in Bernhard Heldts Wohnung zurückkehrte und das Vorgenommene erledigen wollte, stellte ich mit großer Überraschung fest, daß der Bericht von Bernhards Rechner verschwunden war. Weder lag er im entsprechenden Ordner noch irgendwo sonst; selbst im Verzeichnis der zuletzt bearbeiteten Dokumente (linke Maustaste auf „Start“) war er nicht mehr zu sehen. Der Papierkorb war leer, obwohl sich dort auch andere Dateien, die Bernhard gelöscht hatte, hätten befinden müssen.

Daß ein Fremder in Bernhard Heldts Wohnung eingedrungen ist und den Text vom Rechner entfernt hat, während sich seine Schwester und eine Bekannte dort allein aufhielten, ist ausgeschlossen. Allerdings hatte der Rechner die ganze Zeit der Abwesenheit von Bernhard und mir Verbindung zum Internet. Ich vermag nicht zu sagen, ob es technisch möglich ist, eine Datei über eine Internetverbindung von einem Rechner zu entfernen, jedoch ist mir das Verschwinden des Berichtes anders nicht erklärlich.

Einigermaßen wütend, habe ich nicht versucht, den Bericht zu rekonstruieren.

Peter Töpfer, 14.12.04